Ende Juli 2022. Deutschland fiebert den Sommerferien entgegen. Nach Monaten voller Unwägbarkeiten und Einschränkungen ist die Sehnsucht nach Sonne, Strand, Erholung groß. Während es die einen in die Ferne zieht, freuen sich Meereshungrige auf Nordsee- oder Ostseestrände im Land, Wanderlustige auf Bergpanoramen und schattige Wälder. Inklusive Abkühlung bei Wellen- oder Badeseegeplätscher, immerhin ächzen wir unter tropischen Temperaturen. Wie schön es doch ist, die Sorgen der jüngsten Vergangenheit und die vermutlich bevorstehenden Krisenzeiten für eine Weile auszublenden und einfach nur das Hier und Jetzt zu genießen.
Auch Ilse Oehler, die Heldin aus „Sei tapfer im Leben! – Die Spuren der Kriegskinder“ freut sich auf die Ferien. Die Siebzehnjährige absolviert gerade eine Lehre zur Kontoristin und sehnt sich nach Abwechslung vom Arbeitsalltag.
Zwar stöhnte man 1956 nicht über die heutigen 38° C (die Durchschnittstemperatur in Deutschland lag im August 1956 bei traumhaften 20° C), dafür hatte man Sorgen und Nöte in der Kriegs- und Nachkriegszeit zur Genüge durchlitten. Für Ilse waren die Hungerjahre überstanden, sie wollte leben und reisen.
[…] Nach langem Bitten und Betteln hatten sich ihre Eltern endlich einverstanden erklärt und die Reise zu ihrer Brieffreundin Betje nach Groningen erlaubt. Es hatte sie viel Überzeugungsarbeit gekostet, schließlich war das Berufsschulzeugnis eher mittelmäßig ausgefallen und verdiente keine Belohnung. Allerdings konnte sie sehr gute Beurteilungen ihrer praktischen Leistungen in der Schreiber-Zentrale vorweisen. Die waren wohl ausschlaggebend, sodass ihr Vater sein Einverständnis gab und sogar die Übernahme der Reisekosten zusagte. […]
Wie jeden Teenager beschäftigte auch sie die Frage nach dem wichtigsten Kofferinhalt.
[…] Ilse lag bäuchlings auf ihrem Bett und blätterte in der neuen ›Brigitte‹.
Das weitschwingende Sommerkleid mit den angeschnittenen Schultern wäre die perfekte Urlaubsgarderobe, dem Schnittmuster nach schien es nicht einmal zu kompliziert zu schneidern. Und die Caprihose musste mit! Hier durfte sie sie nie tragen, sich zumindest nicht darin erwischen lassen. Als ›skandalös‹ von ihrer Mutter verurteilt, wurde sie vom Vater natürlich sofort verboten. Egal, wie viele andere Mädchen man darin sah. Seine Tochter würde keinesfalls derart unschicklich herumlaufen.
Ilse fügte sich. Manchmal jedoch kleidete sie sich heimlich bei Jette um, wenn deren Mutter nicht daheim war. Ihre Freundin eilte dann die Treppen voraus und achtete darauf, dass Ilse unentdeckt mit ihr das Haus verlassen konnte. Hinterher bekam sie Magenkrämpfe vor Aufregung. Aber die waren es wert, wenn sie gertenschlank mit wippendem Pferdeschwanz bewundernde Blicke auf sich zog. Vor allem von Fred, dem gutaussehenden sportlichen Schlosser, für den alle Mädchen der Evangelischen Jugend schwärmten, und der seit ihrem siebzehnten Geburtstag in diesem Mai nur Augen für sie hatte. […]
Das wird an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Ilse verlebte einen herrlichen Sommer mit ihrer Brieffreundin in Groningen und brachte schöne Urlaubserinnerungen mit. Unter anderem von einem fröhlichen Ausflug nach Wangerooge. Nachzulesen in „Sei tapfer im Leben! – Die Spuren der Kriegskinder“, der perfekten Reiselektüre!